In einer schnelllebigen Zeit wie heute ist es inzwischen mehr als erstaunlich, wenn Dinge tatsächlich über einen längeren Zeitraum Bestand haben. Der Counter auf diesem Blog weist schon seit Beginn meines Schreibens auf einen besonderen Tag in diesem (bzw. eigentlich in jedem) Jahr hin: Den Tag des (deutschen) Bieres, den 23.April. An jenem Tag wurde im Jahr 1516 das Reinheitsgebot verfügt. Das ist nun also 500 Jahre her und welche Regelung überdauert heutzutage schon noch so einen langen Zeitraum? In dem Sinne ist der 23.4. dieses Mal also ein ganz Besonderer. Aber worum geht es beim Reinheitsgebot eigentlich und warum wurde es “erfunden”? Darum soll es in diesem kleinen Text gehen.

Das Problem in früheren, ungeregelten Zeiten des Brauens war, dass es nicht nur ehrbare Brauer gab, sondern auch sehr viele Panscher. Das Bier hatte aber natürlich damals bereits einen gewissen Ruf zu verteidigen, auch wenn es im Grunde geschmacklich kaum etwas mit dem zu tun hatte, was wir heute als Gerstensaft auf den Tisch bekommen. Die einzige Zutat, die damals definitiv schon verwendet wurde, war das Wasser. Ansonsten kannte die Fantasie der Brauer aber kaum Grenzen. Da kamen nicht nur Weizen oder Gerste zum Einsatz, sondern auch Hafer, Hirse, ja sogar Bohnen und Erbsen. Hauptsache, es ließ sich irgendwie mälzen. Auch der Hopfen war nicht immer erste Wahl, obwohl durchaus schon einige Jahrhunderte bekannt. Teilweise gab es wirklich krude Zutaten wie Kreide, Ochsengalle oder Eier, aber auch alle möglichen Kräuter von denen man sich längere Haltbarkeit erhoffte, oder zumindest, dass es den schlechten Geschmack eines sauer gewordenen Bieres irgendwie überdeckt.

Gerade den Fürsten und Herzogen war solch schlechte Bierqualität ein Dorn im wohlhabenden Auge und es wurden bereits 1156 in Augsburg erste Schritte unternommen, um Bierpanscher adäquat zu bestrafen. Das begann mit Geldstrafen und endete mit dem Entzug der Braulizenz. 1453 gab es gar eine Brauverordnung in Regensburg, so dass die Brauer schwören mussten, dass sie ihrem Bier “weder Samen noch Gewürz oder Gestrüpp” hinzufügen. Auch in anderen Teilen Bayerns entstanden derlei Rechtsschriften und es erzeugte letztendlich den allgemeinen Konsens, dass man Bier mit drei Zutaten zu brauen hat: Wasser, Malz und Hopfen. Damit es nicht bei einer

leeren Drohung blieb, wurden Bierproben gemacht und Bierprüfer eingesetzt. Bei Verstoß hagelte es wiederum empfindliche Strafen.
In Ingolstadt wurde am 23. April 1516 schließlich als Folge all dieser Bemühungen durch Landadel und Ritterschaft das Reinheitsgebot für alle bayrischen Brauer beschlossen. Zugeschrieben wird diese älteste Lebensmittelverordnung dem Herzog Wilhelm IV, doch auch sein Bruder, Ludwig X. setzte sich für dieses Braugesetz ein. Es verbesserte die bayrische Bierqualität enorm und machte bayrisches Bier wieder wettbewerbsfähig. Die Jahre zuvor war man gegenüber den norddeutschen Brauern ins Hintertreffen geraten.

Nun wird sich der informierte Leser sicherlich fragen, warum auf den meisten Bierflaschen Dinge stehen wie “nach dem Reinheitsgebot gebraut” und “Zutaten: Hopfen, Malz, Wasser, Hefe”. Ohne Hefe keine Gärung und ohne Gärung kein vernünftiges Bier. Dies erkannte man schon in früheren Jahren, so dass 1551 in einer weiteren Münchner Brauordnung bereits die Rede von Hefe war. Heute gilt Bier, welches mit Hefe produziert wurde (also so gut wie jedes) als rein im Sinne des Reinheitsgebots.
Es dauerte dann noch Jahrhunderte bis sich das Reinheitsgebot auch im Rest Deutschlands durchsetzte. Erst seit 1906 gilt es deutschlandweit. So steht noch heute im Biersteuergesetz, dass Bier nur aus Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser bestehen darf (falls untergärig gebraut). Für obergärige Biere (Weizen, Alt, Kölsch…) gibt es die Ausnahme in Form von Weizenmalz.
Ob man das Reinheitsgebot nun begrüßt oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Viele beklagen sich darüber und wünschen sich eine größere Vielfalt an Bieren und Bieraromen. Viele Brauereien umgehen oder dehnen das Reinheitsgebot inzwischen auf sehr kreative Art und Weise. Jedoch sollte man auch bedenken, dass es eine schützende Funktion erfüllt. Bier gehört zu den am wenigsten chemisch belasteten Getränken überhaupt und über eine mangelnde Vielfalt an nach Reinheitsgeboten gebrauten Sorten kann ich mich zumindest nicht beklagen. Wem es dennoch nicht reicht, kann sich im Ausland nach ausgefallenen Bieren umsehen. Dort gilt das Reinheitsgebot in der Regel nicht. In dem Sinne: Prost!
(Quelle: Das große Lexikon vom Bier, Rolf Lohberg)